Vor 95 Jahren, an Allerheiligen 1919, wurden in unserer 1893/94 erbauten Pfarrkirche die in den Jahren 1916 und 1919 errichteten 14 Kreuzwegstationen eingeweiht. Die Geschichte unserer Kreuzwegstationen, die ja in die Zeit des 1. Weltkrieges fällt, ist nicht nur historisch interessant und aufschlussreich, sie wartet auch noch mit einem sicher kaum bekannten, überraschenden Detail auf. Die Geschichte: Im März 1913 erteilt die Kirchenverwaltung Waldaschaff – Pfarrer ist zu dieser Zeit Konrad Freund – dem Würzburger Bildhauer Ludwig Sonnleitner den Auftrag, nach seinem Angebot 14 Kreuzwegstationen zu erstellen. Die Arbeiten sollen nach dem vorliegenden Modell der 14. Station ausgeführt werden: Material Offenstettner Kalkstein, Anbringen an Ort und Stelle, Kosten 400 Mark pro Station, gesamt 5600 Mark, Fertigstellung des gesamten Kreuzwegs innerhalb von 2 1/2 Jahren. Die vorgelegten Entwürfe werden vom Königlichen Bezirksamt in Aschaffenburg genehmigt und festgehalten, dass die Kreuzwegstationen „mit freiwilligen Gaben“ bezahlt werden sollen.

Im Februar 1914 sind vier Stationen in Arbeit und drei im Modell fertig. Es wird vereinbart, dass diese 7 Bilder nach ihrer Fertigstellung bis Mitte Juli in der Kirche aufgestellt werden. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges macht diese Pläne zunichte: Ludwig Sonnleitner (1878 – 1947) wird zum Kriegsdienst einberufen. Seine Frau Käte führt das Geschäft. Im Januar 1916 schreibt Sonnleitner aus Valenciennes in Frankreich an Pfr. Freund unter anderem: „Bezugnehmend Ihrer Schreiben vom 18.1.1916 an meine Frau betreffs Kreuzweg und Ihrer Sicherstellung kann ich Ew. Hochw. mitteilen, dass, sollte ich, so Gott verhüten möge, im Kriege verunglücken, ich meiner Frau die Vollmacht gab, dass sie unter Einhaltung dieses Vertrages und unter denselben Bedingungen, den Kreuzweg vollenden lässt, ebenso sie in der Wahl eines geeigneten Künstlers hierzu schon unterrichtete.“ Ende August 1916 werden die 7 fertigen Kreuzwegstationen in der Kirche aufgestellt. Im Herbst 1918 ist der Krieg endlich zu Ende. Sonnleitner wird aus dem Heeresdienst entlassen und kann sich nun wieder seiner Arbeit widmen. Pfr. Freund teilt er mit, dass sich für die restlichen 7 Stationen wegen der Erhöhung der Materialkosten und Arbeitslöhne eine Verteuerung von 30 % einstellen werde. Am 30.1.1919 schreibt Sonnleitner an Pfr. Freund: „Ihr wertes Schreiben vom 24.1.1919 habe ich erhalten u. danke Ihnen, dass Sie meine Mehrforderung billigen – damit einverstanden sind. Mein Versprechen, Ew. Hochwürden auf einer Station nachbilden zu wollen, habe ich nicht vergessen u. werde ich’s bei der 13. Station anbringen.“ Und so ist auf der linken Seite der 13. Kreuzwegstation „Jesus wird vom Kreuze abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt“ das Portrait des damals 36-jährigen Pfarrers Konrad Freund, Pfarrer in Waldaschaff von 1912 – 1921, verewigt!

Im August 1919 sind die restlichen 7 Kreuzwegbilder fertig. Mit einem Fuhrwerk werden sie in Hösbach-Bhf abgeholt. Für Maurerarbeit in der Kirche – Ausbohren der Löcher, Aufstellung und Anbringen der Stationsbilder, Kalk – berechnet Maurermeister Adolf Völker 149,80 Mark. Über die Weihe des Kreuzwegs am 1.11.1919 und die künstlerische Ausführung ist überliefert:

„An Allerheiligen wurde dahier durch H. H. Pater Friedrich von Aschaffenburg nach herzlicher Ansprache der neue Kreuzweg feierlich eingeweiht. Durch die Stationen, ausgeführt in Offenstettner Kalkstein, als Original von Kunstbildhauer Ludwig Sonnleitner in Würzburg ist unsere Kirche um ein neues Kunstwerk bereichert worden. Zwar hat durch die lange Unterbrechung (Sonnleitner war von 1914 bis 1918 beim Heeresdienst) die Einheit des Werkes etwas gelitten, was aber nur dem Kennerauge offenbar werden dürfte, dagegen hat der Künstler insbesondere bei Ausarbeitung der letzten Stationen sich auf dem Höhepunkt seines Könnens gezeigt. Sonnleitner hat es verstanden, ein Werk erstehen zu lassen, das vor der Kritik des Künstlers bestehen kann, aber ebenso den Hauptzweck der religiös-sittlichen Erbauung wohl erfüllt.“

Hermine Kunkel

Die Kreuzwegstationen in unserer Pfarrkirche